• Ohne Drahtlack bewegt sich nichts

    Elektrische Geräte und Antriebe funktionieren nur, wenn die leitenden Drähte perfekt voneinander isoliert sind. Deshalb werden Kupfer- oder Aluminiumdrähte mit Drahtlack beschichtet, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Modernste Produktionsmethoden sorgen dafür, dass selbst feinste Drähte zuverlässig mit einer hauchdünnen Lackschicht isoliert werden können.

    Wer die Bedeutung von Drahtlacken veranschaulichen möchte, schaut am besten in die Automobilindustrie. Die Geschichte der Isolierung von Drähten ist eng mit der fortschreitenden Fahrzeugentwicklung verbunden. Das erste am Fließband produzierte Auto, das Model T des US-Herstellers Ford, besser bekannt als Tin Lizzie, verfügte über eine 6-Volt-Batterie, eine Schwungrad-Lichtmaschine, eine Magnetzündung sowie eine Beleuchtung. Damals reichten wenige Meter Kabel und das „Bordnetz“ war komplett.

    Pkw des aktuellen Jahrgangs benötigen mehrere Kilometer teils feinster Drähte und Kabel für die immer umfangreichere Bordelektronik. Dazu gehören heute zahllose Elektromotoren, Spulen und elektronische Helferlein für Klimaanlage, Infotainment, Massagesitze, ABS, ESP – um nur einige zu nennen.

    Fortschreitende Elektrifizierung fördert Entwicklung


    Etwa um 1900 gewannen Drahtisolierlacke erstmals an Bedeutung. Die chemische Basis bestand damals aus Öl und Bitumen. Aufgrund der geringen thermischen Stabilität experimentierte man jedoch schon bald mit anderen Substanzen, darunter Holzöle und Phenolharze, die sich allerdings ebenso wenig durchsetzen konnten. Um 1930 erzielte der US-Konzern General Electric mit Polyvinylacetat erstmals gute mechanische Eigenschaften. Ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts kamen dann unter anderem Polyurethane, Polyester, Polyesterimide und Polyamidimide zum Einsatz; diese Substanzen spielen bis heute bei Drahtlacken eine zentrale Rolle.

    Drahtlacke lassen elektronische Bauteile erst funktionieren


    Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren funktionieren auf der Basis der elektromagnetischen Induktion. Elektrische Spulen erzeugen elektromagnetische Felder, deren gegenseitige Abstoßkräfte in der Folge eine Rotations- oder Linearbewegung verursachen. Damit die Spulen sicher und zuverlässig funktionieren können, wird der hauptsächlich aus Kupfer oder Aluminium gefertigte Metalldraht vor dem Wickelprozess mit einer Isolationsschicht überzogen: dem Drahtlack. Diese Primärisolation verhindert elektrische Kurzschlüsse zwischen den einzelnen Drähten und somit den Verlust des elektromagnetischen Feldes.

    Draht ist nicht gleich Draht


    Je nach Anwendungsbereich unterscheidet sich die Stärke der Drähte: So wird beispielsweise für die elektronischen Bauteile in Uhren ein Feindraht verwendet, dessen Durchmesser kleiner ist als der eines menschlichen Haares. Große Generatoren, wie sie zum Beispiel in Windkrafträdern vorkommen, benötigen dickere Runddrähte oder Flachdrähte mit einem Durchmesser beziehungsweise einer Breite von mehreren Millimetern.

    Der Drahtlack wird in mehreren Durchzügen konzentrisch auf den Kupfer- oder Aluminiumdraht aufgetragen und dann in speziellen Trockenöfen ausgehärtet. Bei diesem Enameling-Prozess reagieren die Komponenten zu vernetzten Polymeren und bilden eine undurchlässige elektrische Isolationsschicht.

    Komponenten mit anspruchsvollen Eigenschaften


    Der Drahtlack besteht – je nach Anforderung an die elektrische Komponente – aus Polyesterimiden oder Polyurethan, für besonders hohe Ansprüche wird in einem Zweischichtverfahren die Kombination von Polyesterimid als Basisschicht (Basecoat) und Polyamidimid als Überzug (Overcoat) eingesetzt. Diese Overcoat-Lackierung setzt sich mehr und mehr als Standard durch, weil sie vor allem die chemische Beständigkeit sicher gewährleistet.

    Drahtisolierlacke müssen die verschiedensten Anforderungen erfüllen. Neben der elektrischen Isolation sind das in erster Linie Ansprüche an die mechanische und thermische Stabilität: Flexibilität, Hitzebeständigkeit, Säure-, Laugen- oder Kühlmittelbeständigkeit sowie für einige Anwendungen eine schnelle Lötbarkeit.

    Das Aufbringen der Lackschicht erfolgt in bis zu 30 Schichten großtechnisch in horizontalen oder vertikalen Spezialanlagen mit hoher Geschwindigkeit. Dabei werden in der Produktion Lackiergeschwindigkeiten von über 1.500 Meter pro Minute bei Feinstdraht (Durchmesser von 50 ?m) erreicht, bei stärkeren Drähten sind immerhin noch es mehr als 200 Meter pro Minute (Durchmesser 0,8 mm). Das hohe Tempo ist entscheidend für eine kostengünstige und effiziente Lackierung. Drähte mit kleinen Durchmessern laufen über Filze, die mit Lack gesättigt sind, bei dickeren wird der Draht durch Düsen geführt, die den Lack aufsprühen.

    Drahtlacke für alternative Mobilität und Energiewende


    Und die Nachfrage bleibt hoch. Der Bedarf nach lackiertem Drahtspulen steigt nicht erst, seit die Automobilindustrie verstärkt auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge setzt. Zahlreiche weitere Einsatzgebiete – vom Kinderspielzeig bis zur Turbine einer Windkraftanlage – bilden ein äußerst breites Spektrum. Ebenso unterschiedlich sind dabei auch die Anforderungen an die benötigten elektronischen Bauteile. Bei einem Windrad zur Energieerzeugung kommen riesige Spulen zum Einsatz, entsprechend hoch muss die Belastbarkeit sein. Bei Spielzeug sieht das schon wieder anders aus. Hier wird als Draht immer öfter Aluminium verwendet. Das ist zwar weniger leitfähig als Kupfer, aber deutlich günstiger.

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