Dies ist eine Weihnachts- und Lackgeschichte aus Sachsen über leuchtende Sterne, Engelsscharen, große Nussknacker und einen einzigartigen Lack mit einem unvergleichlichen Glanz. Sie zeigt zudem beispielhaft, wie traditionsreiche Betriebe mit ganz besonderen Produkten in einem regionalen Wirtschaftsraum voneinander profitieren können.
In der sich zunehmend globalisierenden Farben- und Lackindustrie gibt es sie immer noch: Betriebe, die Lackspezialitäten herstellen und auf eine lange Tradition zurückblicken können. Manchmal sogar auf Jahrhunderte, wie die Höpner Lacke GmbH im sächsischen Niesky, nahe der polnischen Grenze. Es ist dem Ehepaar Bianca und Michael Schäfer zu verdanken, dass es die wohl älteste deutsche Lackfabrik mit ihrer mittlerweile über 230 Jahre dauernden Geschichte überhaupt noch gibt. Sie haben das damals defizitäre Unternehmen 2018 von der Herrnhuter Brüdergemeinde übernommen, der das Unternehmen durch eine Erbschaft vor rund 200 Jahren zugefallen war.
Schon beim Namen des Ortes Herrnhut, der in der Nähe von Niesky liegt, kommt Weihnachstimmung auf. Schließlich gilt der berühmte Herrnhuter Stern als Ursprung aller Weihnachtssterne. Er wurde übrigens im Internat der Herrnhuter Brüdergemeinde vor mehr als 160 Jahren von einem Mathematiklehrer zur Vermittlung eines besseren geometrischen Verständnisses erdacht, bevor er zu einem weltweit gefragten Weihnachtsartikel wurde.
„Die Chance, Höpner Lacke zu übernehmen war für uns ein Glücksfall“, erklärt Bianca Schäfer. „Denn wir haben zu der Zeit nach einem passenden Unternehmen gesucht, mit dem wir eine innovative Lackrezeptur für die Bedruckung von Folien für die Möbelindustrie zur Marktreife weiterentwickeln konnten.“ Dieses Produkt befindet sich aktuell in der Testphase mit verschiedenen Kunden.
Die Höpner Lacke GmbH verfügt über eine ganze Reihe von Rezepturen. Neben Dachbeschichtungen, Wand- und Fassadenfarben sowie Antischimmel-Produkten gehören dazu auch Produkte, die in der Weihnachtszeit eine besondere Rolle spielen. Das sind zum Einen Wasserlacke für die Gestaltung von Nussknackern und Holzspielzeug, wie sie unter anderem an die Christian Ulbricht GmbH & Co. KG geliefert werden, einen Hersteller von feinen Holzarbeiten und Spielwaren, ebenfalls mit einer langen Tradition im sächsischen Spielzeugdorf Seiffen, das sich jedes Jahr in einen leuchtenden Weihnachtsmarkt verwandelt.
Einen ganz besonderen Stellenwert hat jedoch ein Spiritus-Kopal-Lack bei Höpner. Er entwickelt nach seiner Verarbeitung einen ganz besonderen Glanz, der für das Unternehmen Wendt & Kühn im rund 150 Kilometer entfernten Grünhainichen unverzichtbar ist. Dort werden seit mehr als hundert Jahren in aufwendiger Handarbeit unter anderem Engel hergestellt, die mittlerweile weltweit als Weihnachtsschmuck und Sammlerstücke sehr geschätzt werden. „Wir sind weit und breit das einzige Unternehmen, das diesen Lack herstellt“, weiß Schäfer. Und Kerstin Lorenz, Meisterin der Malerei und bei Wendt & Kühn für alle Fragen rund um das Thema Farbe und Lack verantwortlich, ergänzt: „Wir haben immer wieder mal mit anderen Lacken experimentiert, doch mit keinem konnten wir den Glanz des Spiritus-Kopal-Lacks von Höpner erreichen.“
Die Anforderungen an die Farbtongenauigkeit sind streng. Höpner liefert eine festgelegte Palette von Grundfarben, die exakt den Vorgaben von Wendt & Kühn entsprechen müssen. Aus diesen Grundfarben mischt sich das Unternehmen dann alle weiteren Unterfarbtönen selbst zusammen. „Jede Charge wird geprüft und erst freigegeben, wenn der Farbton genau passt“, berichtet Schäfer. „Deshalb stehen wir mit Wendt & Kühn eigentlich das ganze Jahr über in einem engen Austausch.“ Denn die Figuren dort werden nicht nur für die Weihnachtszeit produziert. Jedes Jahr kommen weitere Figuren zu dem umfangreichen Sortiment hinzu und exklusive, limitierte Sammeleditionen werden aufgelegt. Vor allem die Sammler legen großen Wert darauf, dass die Farbgebung den Originalentwürfen entspricht.
Ein steiler Weg führt vom Stammsitz der Firma Wendt & Kühn, einem Fachwerkhaus mit großen Showroom, vorbei an der Produktion, wo die einzelnen Drehformen aus Holz gefertigt werden, aus denen sich die Figuren zusammensetzen, hinauf zu den Werkstätten, wo die Figuren ihre endgültige Form und Farbe erhalten. Nach zwei Tauchgängen mit einer Grundierung, kommt es in einem dritten Durchgang dann zur farbgebenden Lackierung. Dafür werden die Rohlinge auf eine Tauchnadel aufgenommen und dann kopfüber in den Lack mit der entsprechenden Grundfarbe getaucht, beispielsweise Weiß, einem speziellen Hautton oder Gelb. Das Geheimnis der perfekten Grundlackierung liegt in dem Schritt danach. Mit einer geschickten Bewegung drehen die Mitarbeiterinnen die Tauchnadel kurz in ihren Händen, so dass der überschüssige Lack von der Figur wegspritzt. So können sich in Vertiefungen oder an Kanten keine Tropfen bilden. „Jeder Lackierer hat im Laufe der Jahre dabei ihre ganz persönliche Technik entwickelt“, erklärt Petra Schneider Meisterin der „Taucherei“ von Wendt & Kühn. „Und je nach dem wie sie den Lack abdrehen, stellen sie die Viskosität des Lackes auf ihre individuelle Drehgeschwindigkeit ein.“
Da der Spiritus-Kopal-Lack sich durch lange Trocknungszeiten auszeichnet, müssen sich die Engel anschließend bis zu zehn Tage gedulden, bevor sie durch das Aufmalen von Kleidung, Dekoren und Instrumenten und den charakteristischen elf Punkten auf den Engelsflügeln zu einem der weltweit begehrten Sammlerstücke werden. Diese typischen Engel gibt es in fast 150 verschiedenen Varianten, zumeist sind sie mit einem Musikinstrument ausgestattet. An langen Tischen bemalen die Frauen ruhig und präzise die Figuren exakt nach den zum Teil hundert Jahre alten Entwürfen. Insgesamt besteht das Sortiment derzeit aus etwa 400 unterschiedlichen Figuren. Die Spannbreite reicht dabei von figurenreichen Spieldosen, Wanduhren, Leuchtern, Spandosen bis hin zu Margeritenengeln, Blumenkindern, Osterfiguren und Wandkalender mit Jahresfiguren.
Sechs Mitarbeiterinnen sind auf das Malen der für Wendt & Kühn typischen Engelsgesichter spezialisiert. Sie sorgen mit feinstem Pinselstrich dafür, dass die Figuren ihren unverwechselbaren Gesichtsausdruck erhalten, der die Traditionsmarke Wendt & Kühn ausmacht. „Die Gesichter sehen auf den ersten Blick gleich aus, und das ist natürlich auch so gewollt“, erläutert Kerstin Lorenz. „Doch wenn man wie wir, jeden Tag so intensiv mit den Figuren und den Malerinnen zu tun hat, dann kann man tatsächlich erkennen, wer das jeweilige Gesicht gestaltet hat.“
Das Bearbeiten der Figuren liegt bei Wendt & Kühn ausschließlich in Frauenhand, wie auch die Geschichte des Unternehmens selbst maßgeblich von Frauen geprägt wurde. Als Absolventin der Königlich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden gründete Grete Wendt im Jahr 1915 zusammen mit Margarete Kühn das Unternehmen. Nach mehr als 100 Jahren sind ihre zeitlosen Entwürfe heute immer noch die Basis für den weltweiten Erfolg der Manufaktur, die Weltkriege, Wirtschaftskrisen und die Verstaatlichung in der DDR überstanden hat, Heute beschäftigt Wendt & Kühn mehr als 180 Mitarbeitende und wird in der dritten Generation immer noch von der Familie geführt. Von dort aus tragen die mit dem unvergleichlich glänzenden Lack der Höpner Lacke GmbH aus Niesky mit viel Liebe zum Detail bemalten Lichter- und Musikantenengel, Weihnachtsmänner und Madonnen weihnachtliche Gefühle in mehr als 25 Länder rund um den Globus.